Historisches Teil IV
Deutsches Reich. Gleichschaltung. Passiver Widerstand.
am 1.4.1933, nur 3 Jahre nach der Machtübernahme der NSDAP wurde der Liederkranz zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammengerufen „zwecks Gleichschaltung“ (im Original unterstrichen). Weiter wörtlich zitiert: „Laut Verordnung sollte der erste Vorsitzende vor dem 30.1.1933 in Nationaler Richtung gestanden haben. Mitglied Peter C., der nur als einziger in Frage kommt, wurde nun zum ersten Vorsitzenden gewählt. Er übernahm sein Amt mit dem Hitlergruß und bestimmte den Vorstand -bisher wurden die Funktionsträger gemäß der Satzung in geheimer Wahl von allen Anwesenden gewählt.
Dann lies C. noch das Horst-Wessel-Lied (die Hymne der SA) singen. Einige Male wird in der Chronik erfurchtsvoll geschrieben „unser erster Führer Peter C. „.
Das Tröstliche in diesem Bericht ist, dass der damalige Chronist nur einen einzigen Sänger sah, der den Anforderungen der Gleichschaltung genügte. Beklemmend ist, dass die übrigen Sänger das Theater einfach über sich ergehen ließen oder lassen mussten.
Der Lehrer Woll, der 12 Jahre den Chor geschult hatte, trat 5 Monate später zurück. Peter C. hat die Freude an seinem Amt ganz schnell verloren. Schon im Februar 1934 „meldete er sich für 3 Monate schriftlich ab“ und kandidierte bei der nächsten Wahl Ende 1934 nicht mehr. Sein „weicher Tenor“ wurde seh geschätzt. Als er am 16.4.1957 starb, sangen beide Vereine, Liederkranz und Eintracht an seinem Grab.
Es wird berichtet, dass sich die NSDAP in Spay mit einer Aura von Kultiviertheit umgab, indem sie auch zu ihren internen Feierlichkeiten den Liederkranz zu einigen Gesängen bestellte und dass der Verein dem Folge leistete.
Wie ebenfalls berichtet, führte der Verein seit seiner Gründung bei öffentlichen Veranstaltungen ebensoviel Theaterstücke wie Gesänge vor. Von den Theaterstücken haben wir nicht die vollständigen Textbücher, aber die zum Teil antisemitischen Titel, „Drei koschere Juden“ oder „Der geprellte Jude“. Daraus ist ersichtlich, dass man sich in Spay schon um 1921, also lange vor dem dritten Reich, an der Verunglimpfung der Juden ergötzt hat.
Das Liedgut hat sich nach 1933 nicht wesentlich verändert. Bei Goldenen Hochzeiten wurde weiterhin gesungen: „Das ist der Tage des Herren“ und „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre“. Und bei Totenehrungen „Wie sie so sanft ruhen …“.
Zwei weitere Anliegen hatte Goebbels. Der Führer des Rheinischen Sängerbundes, der Gau-Kulturwart, Parteigenosse Dr. Fischer erklärte auf der Jahreshauptversammlung des Mittelrheinischen Sängerbundes am 2.6. 1935 in Koblenz: „Die singenden Kolonnen der jungen Menschen auf den Straßen, das einstimmige Singen, hat auch für die Gesangstätigkeit der Männergesangsvereine Wegweiser zu sein, zum Fortschritt der neuen Zeit.“ Derselbe an anderer Stelle: „Der deutsche Sängerbund habe auch die Aufgabe, den Nachwuchs heranzuziehen und mit der Partei und ihren Gliederungen in Verbindung zu treten, besonders auch im Hinblick auf die Pflege des einstimmigen Gesanges.“ (Koblenzer Nationalblatt 02.06.1935)
Trotz dieser eindringlichen Vermahnung wurden keine einstimmigen Lieder eingeübt, wie aus den Programmen von Veranstaltungen hervorgeht.
Schrecklich wichtig und stark betont ist eine Änderung bei den Gesangswettbewerben: das Ergebnis wird nicht sofort verkündet, sondern den Chören nachgeschickt. Und was das soll, wurde nicht erläutert.
Dieses zackige Regime hat die Disziplin nicht verbessert. Bei der Weihnachtsfeier 1938 mussten 2 Musikvorträge mit Soloposaune, Xylophon und Orchester gekürzt werden, wegen der großen Unruhe im Publikum – so klagt erbittert der Chronist: Und möge das Jahr 1939 einen besseren Fortschritt bringen, da die Proben sehr viel zu wünschen übrig lassen.“
Bei Beginn des Krieges 1939 wurden 14 aktive Mitglieder eingezogen. Zu Weihnachten 1941 lud der Schifferverein den Gesangsverein zur gemeinsamen Weihnachtsfeier ein. Am 16.7.1942 beteiligte sich der Chor mit anderen Chören an einem Singen für die Insassen der Lazarette in Boppard.
Am 12.8.1942 nachts um zwei wird Spay von feindlichen Fliegern angegriffen. 4 Tote waren zu beklagen.
Das ist die letzte Eintragung in der Chronik vor dem Kriegsende.