Historisches Teil VII
Eintracht 1880 Niederspay. Nachwehen der französischen Revolution. "Kulturkampf" auch in Spay.
Johann Baptist Roller aus Trier wurde 1875 zum Priester geweiht. Lut Schulchronik wirkte er während des Kulturkampfs zunächst in England, danach in der Diözese Speyer. Nach dem Kulterkampf war er Kaplan in Illingen, Pfarrer in Peterswald, Furschweiler und ab 8.9.1897 in Niederspay. Der übernahm er auch den Männerchor „Eintracht“, übte allerdings, wie die Chronik vermerkt, keine weltlichen Gesänge.
Der hier verwendete Begriff „Kulturkampf“ muss erklärt werden. Die Französische Revolution von 1789 war gerade erst 80 Jahre vorbei. Restauration und Romantik, die politischen Ereignisse von 1848, die Militarisierung Preußens – das alles hatte die Köpfe durcheinandergeschüttelt. Das vatikanische Konzil verkündete 1870 das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes – der klärende Zusatz: „in Glaubensfragen“ wurde übersehen. Da ergriff den Reichskanzler Bismarck die Besorgnis, nun solle mit dem weitverzweigten Netzwerk der Kirche eine Steuerung der Gemüter auch in Preußen aufgebaut werden. Er reagierte mit den Machtmitteln des Staates.
Der Jesuitenorden wurde verboten. Ordensbrüder und -schwestern durften nicht mehr Lehrer sein. Der „Kanzelparagraph“ drohte denjenigen Gefängnisstrafen an, die „ihr geistliches Amt zur Gefährdung des öffentlichen Lebens missbrauchten“.
Der Lehrer Liesenfeld trat am 16. April 1903 sein Amt als Küster und Kantor in Niederspay an und übernahm auch den Gesangverein, der immer noch „Eintracht“ hieß. Bei einer der ersten Proben erschien – so die Chronik – der Herr Pastor Roller und erklärte, „daß die Vereinigung von nun an unter dem Namen Kirchenchor weiterbestehen solle“. Dieser „Kirchenchor“ verweigerte aber die Gefolgschaft und löste sich am 19. Juni auf. Und schon am folgenden Tag bestellten „die meisten Mitglieder“ den Sohn des Vereinsgründer, Franz Beck aus Oberlahnstein zu ihrem Dirigenten. Die Begeisterung für den alten Gesangsverein lebte wieder auf und er fing wieder an zu blühen. Schon im Juli 1904 beteiligte sich diese „Eintracht Niederspay“ am „Nationalen Gesangwettstreit Deutscher Männgesangsvereine“ in Rübenach und gewann den 4. Preis.
Auch für den Kirchenchor sickerte wieder Personal zusammen – die Lehrer benachbarter Schulen sprangen ein.
Der Gemeinderat von Niederspay fasste allerdings den Beschluss, dass der Kirchenchor nicht mehr im Schulsaal üben dürfte. Der Polizeisergeant Volk begab sich offiziell zu Pfarrer Roller und teilte ihm dies mit.
Von nun an übte der Kirchenchor in der alten Kirche oder in der Wohnung des Lehrers mit dessen Harmonium. Lehrer Liesenfeld richtete ein Gesuch an den Landrat Kruse, der eine Befragung des 6-köpfigen Schulvorstands anordnete. Danach durfte der Chor wieder im Schulsaal üben. Aber die Gemeinde stellte noch eine Forderung: 15 Mark im Jahr für den Verschleiß des Schulsaals. Das hat die Kirchengemeinde bezahlt, damit Ruhe ist.
Dies war beileibe keine Provinzposse, das war ein erbittertes Ringen um Einfluß und Machtpositionen im Rahmen des Kulturkampfes, nur war der auf der hochpolitischen Ebene schon vorbei.
Ein versöhnliches Nachspiel gab es aber doch – als Pfarrer Roller 1911 starb, sang an seinem Grab der Kirchenchor, verstärkt um die meisten Mitglieder des Gesangsvereins Eintracht.
… Hier sind nun die Aufzeichnungen in der Schulchronik über den MGV „Eintracht Niederspay“ endgültig zu Ende. Als die Verleihung der Zelterplakette für 100jähriges Bestehen im Jahr 1980 anstand, mussten die alten Unterlagen eingereicht werden, darunter vermutlich auch die Chronik, die im Schulschrank lag.
Dem deutschen Sängerbund imponierte das Material so sehr, dass seine Selbstdarstellungsfreude geweckt wurde und er unser Material als befristete Leihgabe an das Sänger-Museum in Schnait bei Stuttgart gab. Das ging pleite und schickte unser Material weiter an eine Sammelstelle bei Nürnberg. Da kam es angeblich nie an. Das hat man davon, wenn man zu gut ist … .